Camillo Sitte Gesamtausgabe
Schriften und Projekte
- Herausgeber*innen
- Klaus Semsroth
- Michael Mönninger
- Christiane Crasemann Collins
- Publikationsart
- Buchreihe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Erscheinungsjahr
- 2003
- Erhältlich
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Fördergeber*innen Band 1-5
- Fördergeber*innen Band 6
Mehr als hundert Jahre nach dem Tod des Wiener Künstlers und Schriftstellers Camillo Sitte (1843 bis 1903) erscheint die auf sechs Bände angelegte Gesamtausgabe seiner Schriften und Entwürfe. Sie zeigt den lange unterschätzten Lehrer und Architekten als Universalgelehrten, der zwischen Historismus und Moderne eine zentrale Vermittlerrolle spielte.
1. Band: Schriften zu Kunstkritik und Kunstgewerbe, 2008
Der Band 1 der Camillo Sitte Gesamtausgabe umfasst die Schriften zu Malerei, Musik, Bühnenbild, Handwerk, Volkskunst und Kunstgewerbe. In seinen Kunstkritiken für Wiener Tageszeitungen zeigt sich Sitte als unakademischer Autor, dessen journalistischer Schreibstil voller Pointen und Polemiken steckt. In diesen Aufsätzen zieht er sowohl gegen die historistische wie nazarenische Kunstauffassung zu Felde, wobei seine größte Aversion der Wiener Sezession gilt. Als Verehrer von Richard Wagners Gesamtkunstwerk tritt er massiv für den Landschaftsmaler Joseph Hoffmann ein, der die Uraufführungsszenographie für den Bayreuther "Ring" 1876 schuf. Als Gewerbelehrer widmet sich Sitte der Anpassung der kunstgewerblichen Produktion an die Herausforderungen der Industrialisierung. Dabei bleibt er stets künstlerisch-handwerklichen Gestaltungsprinzipien verpflichtet und entwirft Gestaltungskonzepte auf der Basis evolutionstheoretischer Erkenntnisse, die er auch formgeschichtlich auf Studien zur Schrift-, Möbel- und Ornamentgeschichte überträgt. Sein umfangreicher Bericht von der Pariser Weltausstellung 1878 ist ein bislang kaum bekanntes Dokument der Kulturgeschichte, das überraschende Einblicke in die damalige Rezeption des neuartigen Massenkonsums gibt.
2. Band: Schriften zu Städtebau und Architektur, 2010
Band 2 der Gesamtausgabe dokumentiert Camillo Sittes Publikationen zu Architektur und Städtebau und ergänzt seine in Band 1 wiedergegebenen kunstkritischen Aufsätze. Der Künstler, Wissenschaftler, Pädagoge und Schriftsteller erörterte in seinen Beiträgen nahezu alle bedeutenden Architektur- und Stadtbaufragen im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts und setzte sich für zeitgemäße Lösungen ein. Sittes Polemiken, in denen sich die Kenntnis des internationalen Fachdiskurses manifestiert, bilden die Grundlage für sein umfassendes Hauptwerk zur Städtebautheorie von 1889. Der vorliegende Band behandelt darüber hinaus Sittes Zeitschrift "Der Städtebau", die 1904 wenige Monate nach seinem Tod erstmals erschien und den europäischen Planerdiskurs über drei Jahrzehnte prägte.
3. Band: Der Städte-Bau nach seinen künstlerischen Grundsätzen, 2003
Das von Camillo Sitte verfasste Buch „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ von 1889 war ein ausgesprochener Überraschungserfolg. Seine Abhandlung über die Grundfragen des Städtebaus, die gleichermaßen die Stadtbaugeschichte seit der Antike, wie die modernen Zukunftsfragen, die rasante Stadterweiterung der Gründerzeit, Verkehrsführung und Hygiene behandelt, wird heute als erstes Werk einer modernen Stadtbautheorie gesehen.
Sittes Idee vom Städtebau als essenziell öffentliches und raumbezogenes Unterfangen wurde euphorisch aufgenommen, die avantgardistische Moderne reagierte jedoch mit äußerster Skepsis. Erst die jüngere Forschungsgeschichte hat Sitte seinen gebührenden Platz als führender Stadtbautheoretiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts zuerkannt. Mit dem vorliegenden Reprint wird erstmals der Originaltext der Erstausgabe wieder zugänglich gemacht.
4. Band: Schriften zu Pädagogik und Schulwesen, 2008
Band 4 der Gesamtausgabe dokumentiert Camillo Sittes Schriften zu Pädagogik und Schulwesen. Camillo Sitte, der vorwiegend als Stadtbautheoretiker und Städtebauer bekannt ist, war im Brotberuf Gewerbeschuldirektor und verfasste in dieser Funktion zahlreiche Fachartikel, Vorträge und Abhandlungen. Einen zentralen Part des Bandes bilden für den Unterricht an der Salzburger Gewerbeschule bestimmte, photomechanisch reproduzierte und bisher unveröffentlichte Skripten zu Themen des Kunstgewerbes und seiner schulischen Vermittlung, die „Vorträge aus dem keramischen Fachlehrer-Curs“ (1883) und „Vorträge aus dem Fachlehrer-Curse für Möbelindustrie“ (1885). Diese Texte erlauben einen ausführlichen Blick auf Sittes didaktische Methoden im Bereich des Kunstgewerbeunterrichts und ergänzen die in Band 1 wiedergegebenen Texte zum Kunstgewerbe.
5. Band: Schriften zu Kunsttheorie und Kunstgeschichte, 2010
Band 5 der Gesamtausgabe dokumentiert Camillo Sittes Arbeiten zu Kunsttheorie und Kunstgeschichte. Der Wiener Künstler, Wissenschaftler, Pädagoge und Schriftsteller stand in enger persönlicher Verbindung mit den Gründungsfiguren der "Wiener Schule der Kunstgeschichte" und legte regelmäßig eigenständige Forschungen zur abendländischen Geschichte der Baustile, Ornamentik und Perspektivlehre vor. Seine umfangreichen Vorträge zu den Entwicklungsphasen der Baukunst, die auch die orientalischen Ursprünge reflektierten, dienten nicht nur als Lehrmaterial für den eigenen Unterricht an der Wiener Staatsgewerbeschule, sondern hatten auch einen wissenschaftlichen Anspruch, der sich mit dem damaligen Forschungsstand der Archäologie und Kunsttheorie messen konnte. Begleitend dazu hatte Sitte für seine Schüler hunderte von wertvollen Handzeichnungen angefertigt, die er gemäß seiner nachahmenden Unterrichtsmethodik als Vorlagen und Anschauungsmaterial verwendete und weiterentwickelte. Auch in seiner groß angelegten Studie über die Geschichte des perspektivischen Zeichnens lag Sittes Interesse nicht allein in einer historischen Analyse, sondern in der Fruchtbarmachung des theoretischen Wissens für die praktische Ausbildung im Zeichenunterricht. Wie sehr sich Sitte dem Renaissance-Ideal des allseitig gebildeten Künstlers verpflichtet fühlte, zeigen seine medizinisch-anatomischen Studien, die er in einem handgezeichneten Atlas zur "topographischen Anatomie" zusammenfasste und der – wie alle Dokumente dieses Bandes – hier zum ersten Mal veröffentlicht wird.
6. Band: Entwürfe und städtebauliche Projekte, 2014
Trotz seines internationalen Erfolges als Städtebautheoretiker hatte der Architekt Camillo Sitte nie die Chance, in Wien umfangreiche Bauprojekte zu verwirklichen. Bis heute wird er einseitig als Kunstschriftsteller ohne größeren Praxisbezug wahrgenommen. Tatsächlich hat Sitte – von der Forschung bislang kaum gewürdigt – Planungsarbeiten in der gesamten Donaumonarchie ausgeführt, vor allem im ehemaligen Böhmen, Mähren und Schlesien. Mit dem abschließenden 6. Band der Gesamtedition wird erstmals sein weitgefächertes Oeuvre in Architektur, Kunstgewerbe und Städtebau greifbar: jedes der Projekte – vom städtebaulichen Regulierungsplan über Kirchenbauten bis hin zum Möbelentwurf - wurde sowohl architekturwissenschaftlich, kunsthistorisch und städtebaulich bewertet und interpretiert.