Co-existenz: Die Dokumentation. Limmattal
Zwischen Infrastrukturen, Industrien und (Stadt)Landschaften.
- Herausgeber*innen
- Johannes Bretschneider
- Benni Eder
- Dorothee Huber
- Sebastian Sattlegger
- Ute Schneider
- Publikationsart
- Buch
- Verlag
- Forschungsbereich Städtebau und Entwerfen, Technische Universität Wien
- Erscheinungsjahr
- 2022
co-existence of cultural difference
co-existence of social difference ...
co-existence of city + hinterland
co-existence of city + infrastructure ...
Stadt ist idealerweise Ausdruck und Ort einer Co-existenz von Differenz und ihre Aufgabe, divergierende, teilweise kollidierende Systeme, in ein friedliches Nebeneinander bzw. Miteinander zu bringen. Sie ist Ergebnis unzähliger Aushandlungsprozesse, soll Raum für alle bieten und vor allem auch für diejenigen, die diesen komplexen Organismus Stadt operativ halten: ihn organisieren, bedienen, reinigen, ver- und entsorgen.
Limmattal
Infrastrukturen sind raumgreifend und oft spektakulär. Meist ausschließlich aus technischer Perspektive entwickelt, entbehren sie oft einer gestalterischen Einbettung in den gebauten Kontext. Für das Funktionieren der Stadt sind sie essenziell und prägen sowohl oberirdisch als auch unterirdisch ihre Gestalt. Infrastrukturelle Versorgungseinrichtungen werden gerne an den Rand, die Peripherie der Stadt gelegt. Flussräume, Gleisräume, Straßen aber auch Versorgungsinfrastrukturen wie Klärwerke und Stadtwerke, Recyclingstationen, Müllhalden und Friedhöfe sind für das Funktionieren des Organismus Stadt notwendig wie für Lebewesen Organe, Venen und Arterien.
Die infolge der Urbanisierungsprozesse fortschreitende Ausdehnung von Städten haben viele dieser Infrastrukturen inzwischen in ihre Stadtkörper inkorporiert. Bahnhöfe der ersten Stunde sind hier eines der besten Beispiele, die ursprünglich am Stadtrand geplant waren, aber inzwischen innerstädtische Knotenpunkte an den urbansten Orten der Stadt sind.
Diese Entwicklung hat auch das Limmattal, gelegen zwischen Zürich und Baden, durchgemacht. Die früher mehrheitlich ländlich geprägten Dörfer entlang des Flusses Limmat transformierten sich in eine heute zusammenhängende Stadtlandschaft mit stark industriell geprägten Charakter. Aktuell stellt die stark besiedelte Region einer der dynamischsten Ballungsräume in der Schweiz dar.
‘Hidden gems’ im Limmattal
Fluss, Hügel, Wälder - trotz der Einbettung in großzügige Landschaftsräume ist es doch überraschend, in wie weit die Limmat und die anderen Naturräume im urbanisierten Gewebe des Limmattals an vielen Stellen noch stets als Rückseite betrachtet wird. Zusätzlich bilden die infrastrukturellen Einrichtungen (graue, blaue und silberne Infrastrukturen) untereinander, als auch mit Landschafts- und Stadtraum, kaum Synergien. Stattdessen fragmentieren sie das Tal und es entstehen verschiedenste Teil- und Resträume, deren Verständnis als Ressource erst seit kurzem an Relevanz gewinnt.
Eine Re-Vitalisierung und Re-integration, der das Tal mehrfach zerschneidenden Infrastrukturen, bietet enormes Entwicklungspotenzial sie in attraktive adaptive Räume zu verwandeln, die eine Verzahnung und Überlagerung mit den angrenzenden Siedlungs- und Freiräumen erlauben. Vor allem aber die Zugänglichkeit und Re-aktivierung der Resträume, sowie des Naherholungsraumes[u1] der Limmat, tragen einen wesentlichen Beitrag dazu bei.
(Kultur)landschaft als Schlüsselrolle
Globale Trends wie Klimawandel, Digitalisierung, neue Formen der Mobilität und hochaktuell COVID-19 verändern unseren Lebensraum sowie unsere Ansprüche an denselben konstant. Gleichzeitig hat in den letzten Jahrzehnten ein umfassender Urbanisierungs- und Zersiedelungsprozess stattgefunden. Der (Kultur)Landschaft und ihren Infrastrukturen kommt in diesem Spannungsfeld der Bewältigung bestehender und zukünftiger Herausforderungen der Raumentwicklung eine Schlüsselrolle zu.
Wie wohnen, arbeiten und erholen wir uns in dieser Kultur- bzw. Stadtlandschaft, in einer Gesellschaft in der diese Bereiche inzwischen (wieder) nahtlos ineinander fliessen. Die ‘Produktive Stadt’, in der in 15 Minuten alle wesentlichen Bereiche des Lebens erreichbar sind, könnte hier eine Antwort bieten. Hierzu könnte die ‘Limmatstadt’ ein exzellentes Vorbild werden. Wohnen und arbeiten, Industrien unterschiedlichster Formen bis hin zur Agrarindustrie sind vorhanden, ebenso wie die direkt vor der Türe liegenden Naherholungsräume. Dies alles integriert mit der laufenden Urbanisierung zu denken, wäre sowohl für den Siedlungsraum wie den Naturraum sinnvoll, mit dem Ziel ein heterogenes, integriertes resilientes System zu schaffen, in dem Infrastrukturen räumlich, funktional als auch ästhetisch maximal integriert sind.