Infrastruktur und Stadtlandschaft
Planungs- und Entwurfsprinzipien für die (Re-)Integration von Bahntrassen und Gleisarealen
- Autor
- Betreuung
- Co-Betreuung
- Art der Dissertation
- Monografie
- Beginn
- Sommersemester 2022
- Bild
- © Sebastian Sattlegger, Wien, 2024
Hochrangige Schieneninfrastruktur ist für einen nachhaltigen Personen- und Güterverkehr unverzichtbar. Während sich Gleisanlagen wie die von Straßen- oder Regionalstadtbahnen häufig problemlos in den Stadtraum integrieren lassen, werden hochrangige Eisenbahnstrecken grundsätzlich kreuzungsfrei geplant. Die Trassierung von U- und S-Bahnen sowie Fern- und Güterverkehrsstrecken folgt jedoch einer eigenständigen Logik, die häufig im Widerspruch zu den durchfahrenen Stadträumen steht. Insbesondere in dicht bebauten und kleinteilig strukturierten Stadtgebieten entfaltet die Bahninfrastruktur daher oft eine starke Barrierewirkung.
Unterführungen und (Ein-)Bauten unter Hochtrassen, Einhausungen von ebenerdigen Gleisen, Überbrückungen oder Überdeckungen von Trassen in Tieflage sind Maßnahmen, um diese Barriere-Effekte zu reduzieren. Gleichzeitig bieten sie die Möglichkeit, Flächen unter, an oder über Bahnanlagen vielfältig zu nutzen. Dies kann für Gebäude, zur Schaffung öffentlicher Räume, zur Verknüpfung von Wegenetzen oder zur Förderung von naturräumlichen Verbindungen erfolgen.
Wien mit seiner historisch gewachsenen Bahninfrastruktur dient als zentrales Untersuchungsgebiet, um herauszufinden, welche Planungsprozesse und Gestaltungsprinzipien die (Re-)Integration von Bahntrassen und Gleisarealen in ihren stadträumlichen Kontext ermöglichen. Die räumliche Integration der Wiener Bahnanlagen variiert stark. Während die von Otto Wagner entworfenen Stadtbahnbögen durch die Verbindung von verkehrstechnischen und stadträumlichen Überlegungen geprägt sind, vielfältig genutzt werden und eine hohe städtebauliche Qualität aufweisen, finden sich entlang neuerer Trassen häufig Problemzonen oder wenig genutzte Flächen.
Der Fokus auf leistbares Wohnen dominiert die Wiener Stadtplanung und beeinflusst auch die wissenschaftliche Schwerpunktsetzung. Dabei gerät die Wohnbaupraxis häufig in Konflikt mit hochrangiger Infrastruktur: Große Bahnareale wie am Nord-, Nordwest- und Südbahnhof wurden zugunsten neuer Wohnquartiere aufgelassen. Anstatt die vorhandene Infrastruktur und die von ihr abhängigen Nutzungen in Neuplanungen zu integrieren, werden Anschlussgleise zurückgebaut, Güterbahnhöfe geschlossen und Abstellanlagen an den Stadtrand verlagert – eine Entwicklung, die teilweise auch den Interessen der Infrastrukturunternehmen entspricht.
Um die Aufgabe eines möglichst störungsfreien Zugbetriebes zu erfüllen, sind isolierte Trassen die effizienteste Option. Integrierte Raumkonzepte oder eine intensivere bauliche Nutzung ihrer Liegenschaften würden den Betrieb erschweren und sind daher aus Sicht der Betreiber oft unattraktiv. Dem gegenüber steht die Notwendigkeit die Flächeninanspruchnahme zu reduzieren, die Qualitäten der Bestandsstadt zu stärken und die Akzeptanz der Schieneninfrastruktur als wesentlicher Bestandteil der Mobilitätswende zu fördern.
Die Dissertation betont die Notwendigkeit einer interdisziplinären Planungsperspektive, um Stadt- und Infrastrukturentwicklung stärker miteinander zu verknüpfen. Durch die Kombination von räumlichen Analysen, Fallstudien und Entwurfsprinzipien soll sie dazu beitragen, den Diskurs zur räumliche Schichtung entlang, über oder unter Eisenbahninfrastrukturen als städtebauliches Entwicklungsmodell voranzutreiben.