„Der Städtebau nach seinen wissenschaftlichen und sozialen Grundsätzen.“
Einblicke in den verschollenen zweiten Band Camillo Sittes
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- 2023
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- © Konvolut Knab-Stokreiter
Das Interesse an Camillo Sittes zentralem Werk Der Städte-Bau nach seinen künstlerischen Grundsätzen war ungebrochen als sein plötzlicher Tod 1903 zu einer jähen Zäsur führte.
Die verheißungsvolle Ankündigung Karl Henricis, dass „[ ... ] ein zweiter Band seines Buches, welcher den Titel „Der Städtebau nach wissenschaftlichen und sozialen Grundsätzen“ tragen, und von seinem Sohn, dem Architekten Siegfried Sitte, herausgegeben werden wird [ ... ]“, wurde mit großer Erwartung aufgenommen. Sittes Ausführungen und Theorien zum Städtebau sollten mit dieser Fortsetzung in die praktische Anwendbarkeit übertragen werden.
1905 führte Theodor Bach anlässlich der Enthüllung des Ehrengrabes Camillo Sittes am Wiener Zentralfriedhof relativ gleichlautend aus: „Durch sein epochemachendes Werk „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ ist Sitte zum Schöpfer des modernen Städtebaues geworden [ ... ]. Dem bedeutenden Werke sollte ein zweiter Band folgen: „Der Städtebau nach seinen wirtschaftlichen und sozialen Grundsätzen“, dessen Erscheinen zu erleben Sitte nicht mehr vergönnt gewesen und dessen Herausgabe durch seinen ältesten Sohn erwartet werden darf.“ Bemerkenswert sind in beiden Zitaten die unterschiedlichen Titelangaben „wissenschaftlich" und „wirtschaftlich".
Trotz der intensiven Publikationstätigkeit Siegfried Sittes - und insbesondere trotz aller Fehlinterpretationen, Vereinnahmungen und späteren Schmähungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - kam es nie zu einem zweiten Band des Städte-Bau. Stattdessen erschienen weitgehend unveränderte Neuauflagen und internationale Übersetzungen des ersten Bandes. Selbst als der Nachlass der Architektenfamilie Sitte 1963 an die TU Wien gelangte, fanden sich darin keine Hinweise auf einen zweiten Band des Städte-Bau, der als verschollen galt.